IV/13: Ammoniten: die eigentlichen Herrscher im Ravensberger Land in der Jurazeit
Das Sammlungsobjekt des Quartals
Die ammonitenartigen Tiere (Ammonoideen) sind eine ausgestorbene Teilgruppe der Kopffüßer (Cephalopoda) und gehören zum Stamm der Weichtiere (Mollusca). Zu den Schalen tragenden Weichtieren rechnet man auch Schnecken und Muscheln. Die Ammoniten bevölkerten die flachen Schelfgebiete der Weltmeere bis zum Ende der Kreidezeit. Ammoniten gelten besonders für die Jurazeit (200 - 160 Millionen Jahre) als die wichtigsten Leitfossilien und sind für stratigraphische Fragestellungen nach wie vor von großer Bedeutung. Mit Hilfe der fossil erhaltenen Ammoniten lassen sich die jurazeitlichen Schichten in hierarchische Abschnitte gliedern:
System (z.B. Jura)
- Stufe (z.B. Sinemurium)
-- Zone (z. B. Raricostatum-Zone des Oberen Sinemurium)
--- Subzone (z. B. Densinodulum- und Aplanatum-Subzone der Raricostatum-Zone)
---- Faunenhorizont (kleinste stratigraphische Einheit))
Für die Familien-, Gattungs- und Art-Bestimmungen spielen verschiedene Merkmale des Ammonitengehäuses eine große Rolle, wie z. B. Skulpturmerkmale (Verlauf und Zahl der Rippen, Vorhandensein von Knoten oder Stacheln oder eines Kieles), Größe und Form des Windungsquerschnittes und Verlauf der Lobenlinien. Weitere Merkmale finden sich in speziellen Bestimmungstabellen.
Crucilobiceras densinodum (QUENSTEDT 1845) – Ø 7 cm Weitnabeliger Ammonit mit Radialrippen, die am Außenbug in spitze Dornen übergehen, wie man es an diesem Exemplar durch die Calcitfüllung in mehreren Windungen gut erkennen kann. Die Schale scheint sich an diesen Stellen aufgelöst zu haben. Körperlich erhaltene Exemplare von Crucilobiceras densinodum finden sich im norddeutschen Jura nur höchst selten. | |
Eoderoceras armatum (SOWERBY 1815) Fast vollständiges Exemplar; jede Rippe endet mit einer Knotenbildung, feine Streifen zwischen den Radialrippen, über den Außenbug hinweg ziehend. | |
Eoderoceras armatum (SOWERBY 1815) Wahrscheinlich Teilstück eines ausgewachsenen Exemplars von vermutlich Ø 20 cm; mit sehr großen Stacheln, die - wie man auf dem Negativabdruck der Innenwindungen erkennen kann - hohl waren. KEUPP (2000) vermutet, dass sie der Abwehr von potenziellen Feinden gedient haben könnten, "wie man es ähnlich für die langen Stacheln der rezenten Murex-Schnecken annimmt" | |
Das größte zusammenhängende Jura-Ausstrichgebiet Norddeutschlands betrifft die Region Bielefeld/Herford/Minden. Hier treten alle Jura-Schichten an die Oberfläche. Ausgedehnte Bereiche des Unteren Jura (Lias) finden sich in der Gegend zwischen Herford und Bielefeld und im südlichen Wiehengebirgsvorland.
Vor über 125 Jahren hat Heinrich MONKE aus Herford im Rahmen einer Dissertationsarbeit den Begriff „Herforder Lias-Mulde“ geschaffen. Hier wurden im vorletzten Jahrhundert für über 100 Ziegeleien Lias-Tone abgebaut. MONKE hat diese Aufschlüsse akribisch genau dokumentiert und wichtige Grundlagen für das Verständnis der regionalen Geologie geschaffen.
Auch im letzten Jahrhundert sind neue Aufschlüsse entstanden, obwohl die Ziegelindustrie nur noch mit wenigen Unternehmen vertreten ist. Der Verfasser dieses Textes hat von 1978 bis 1998 den Tonabbau westlich von Herford kontinuierlich verfolgt und feinstratigraphisch – soweit das bei dem schnellen Abbau möglich war - fossiles Material entnommen. So ergab sich für das anstehende Ober-Sinemurium ein fast vollständiges Profil.
Großen Seltenheitswert haben diese Aufschlüsse sowohl was das Vorkommen der Schichten als auch was die hier vorgefundene Fauna betrifft. Diese einzigartige Aufsammlung von Ammoniten (von der Simpsoni- bis zur Aplanatum-Subzone) ist vom Autor in diesem Jahr an die Geowissenschaftlichen Sammlungen der BGR (Außenstelle Berlin-Spandau) übergeben worden und liegt nun vereint mit ihren durch MONKE vor über 100 Jahren an gleicher Stelle gefundenen fossilen „Artgenossen“.
Ein Teil der Sammlung war Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung. Die Ergebnisse wurden im Jahre 2000 im Band 74, Heft 3 der Paläontologischen Zeitschrift publiziert.
Weitere Informationen nicht nur zu Fossilien aus dem Unteren Jura finden Sie unter steinkern.de
Textautor: Rainer EBEL, Bünde; Mitglied in der Subkommission für Jurastratigraphie der Deutschen Stratigraphischen Kommission
Literatur:
BLAU, J., MEISTER, C., EBEL R. & SCHLATTER, R. (2000): Upper Sinemurian and Lower Pliensbachian ammonite faunas from Herford-Diebrock area (NW Germany).- Pal. Z. 74 (3): 259-280, 13 Abb.; Stuttgart.
EBEL R. (1996) : Über neue Aufschlüsse im Ober-Sinemurium (Lias β, Unterer Jura) der Herforder Liasmulde (Nordflügel).- Ber. des Naturwiss. Ver. Bielefeld und Umgegend 36: 15-48; Bielefeld.
EBEL, R. (2006): Er gab einem Ammoniten den Namen seiner Heimatstadt. Leben und Werk des Herforder Geologen Heinrich Monke (1859-1932).- Hist. Jb. für den Kreis Herford 2006, Bd. 13; Hrsg. Kreisheimatverein Herford e.V. und Kommunalarchiv Herford; Verlag für Regionalgeschichte.
KEUPP, H. (2000): Ammoniten - Paläobiologische Erfolgsspiralen; Thorbecke-Verlag; Stuttgart.
MONKE, H. (1888): Die Liasmulde von Herford in Westfalen.- Verh. Naturwiss. Ver. Bonn, 45:125-238, Taf. 2-3, 1 Kt.; Bonn.
STILLE H. (1910): Der geologische Bau der ravensbergischen Lande.- Jber. nieders. Geol. Ver., 3: 226-245, 5 Abb.; Hannover.
Übrigens: Die BGR unterhält eine Sammlung mit Standorten in Berlin und Hannover, hier in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Sie gehören zu den großen geowissenschaftlichen Sammlungen in Deutschland.
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