IV/08: Marbre de Saillon - eine Reminiszenz an die Antike
Das Sammlungsobjekt des Quartals
Der Marmor von Saillon ist ein Dekorationsgestein aus dem französischsprachigen Teil des Kantons Wallis in der Schweiz.
Quelle: BGR; Foto: Ferdinand Heinz
Trotz seiner relativ kurzen Abbaugeschichte hat er eine ungewöhnliche Aufmerksamkeit bei ausgewählten dekorativen Anwendungen genossen. Der Beginn des Abbaus liegt in den 1870er Jahren. Schon früh wurde die mögliche Erfolgschance auf dem Markt erkannt und man zeigte den Marmor auf der Weltausstellung von Paris im Jahr 1878. Diese Art von Materialpräsentation war zu jener Zeit nicht unüblich. Bereits auf der Wiener Weltausstellung 1873 wurden den Besuchern eine große Zahl von interessanten Bau- und Dekorationsgesteinen vorgelegt.
Der Abbau begann am Fuß einer Steilwand des Muveran-Massivs in einer Höhe von etwa 940 m NN und ca. 400 m über dem Talboden der Rhône. Das Vorkommen ist auf eine marmorisierte Abfolge der Kalkschichten innerhalb der Morclesdecke beschränkt. Mit einem mächtigen unterirdischen Vortrieb in der Wand bewerkstelligte man den Abbau der schräg einfallenden Marmorschicht. Dieser Vortrieb hat eine Tiefe von etwa 70 Metern erreicht. Die ungewöhnliche Position der Lagerstätte ließ auch keine andere Abbautechnik zu. Zudem erzwang sie den Transport aller Blöcke mit einer eigens dafür errichteten Seilbahn zur Verarbeitungsstätte im Tal.
Quelle: BGR; Foto: Ferdinand Heinz
In den 1890er Jahren etablierte sich hier die Gewinnung des Marmors mit Hilfe der Seilsäge. Die Rohblöcke wurden nach der Schräglage der Schichten gewonnen. Über deren Dimensionen kann heute wenig gesagt werden. Später legten die Steinbrecher einen zweiten, oberhalb des alten Abbaus gelegenen Vortrieb an. Die sich so gebildete große Aushöhlung musste wegen der riesigen Gebirgsauflast abgestützt werden. Ein schräg stehender Gesteinspfeiler ist im Zuge der Gewinnungsarbeiten zu diesem Zweck stehen gelassen worden. Etwas tiefer erfüllt eine Wand diese Stützfunktion. Der Abbau endete um 1926. Die eingeschränkten Verhältnisse der Nachkriegsepoche machten den Verkauf dieses Marmors, der um 1900 den Ruf des teuersten Natursteins der Welt hatte, unmöglich. Spuren im Steinbruch lassen auf einen kurzzeitigen Abbauversuch in den 1950er Jahren schließen.
Worin bestand nun der furiose Erfolg dieses Marmors? Die überlieferten Handelsnamen sind dafür das noch heute vorhandene Indiz: Unter den Bezeichnungen GRAND ANTIQUE DE SAILLON und CIPOLLIN GRAND ANTIQUE erlebte der Marmor exponierte Anwendungen. In seiner Farbe und Struktur ist der Saillon-Mamor den Cipollino-Sorten von der Südspitze der griechischen Insel Euböa ähnlich, die unter dem Namen KARYSTISCHER MARMOR in der römischen Antike gefragte Gesteine waren. Die begehrtesten Varianten waren jene Bänke, die die für einen Cipollino typischen Streifen und zwiebelartigen Muster aufweisen. Ferner treten dunkelgrüne Partien mit schuppigen und netzartigen Strukturen auf.
Quelle: BGR; Foto: Ferdinand Heinz
Die wohl ungewöhnlichste Verwendung findet man in der Pariser Oper (Architekt Charles Garnier, 1860-1875), in deren Foyer mehrere mächtige Massivsäulen aus diesem Naturstein stehen. Das Parlamentsgebäude in Bern (Architekt Hans Wilhelm Auer, 1894-1902) repräsentiert mit seiner Natursteinausstattung die interessante Vielfalt Schweizer Bau- und Dekorationsgesteine. Hier wurde der Saillon-Marmor für Heizkörperverkleidungen im Stile von Kaminfassaden in der Wandelhalle eingesetzt. In der Altstadt von Vevey sind noch einige Ladenverkleidungen erhalten.
Weitere Anwendungen sind verbunden mit dem Großen Theater in Genf, einem Bankgebäude in Zürich (Säulen im Foyer), der Basilika Notre-Dame de Fourvière von Lyon, dem Palace Theatre und dem British Museum in London sowie der Universität in Oxford. Für den Dom von Aachen sollen auf Wunsch von Kaiser Wilhelm II. zweihundert Kubikmeter geliefert worden sein, die in der Pfalzkapelle Karls des Großen zur Restaurierung Anwendung gefunden haben sollen. Materialexporte gingen auch nach Washington (USA).
Text und Musterplatten übergeben von Ferdinand Heinz, Dresden
Übrigens: Die BGR unterhält Sammlungen in Berlin und Hannover, hier in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Sie gehören zu den großen geowissenschaftlichen Sammlungen in Deutschland.
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