III/15: Lösskindel und Steinmännle – im Boden geboren
Das Sammlungsobjekt des Quartals
Quelle: LBEG; Foto: S. Pietrzok
Lösskindel, Lösskindl, Lössmännchen, Lösspuppen oder Steinmännle heißen je nach Region die Kalkkonkretionen mit seltsamen, die Phantasie anregenden Formen. Belyye glazki – „Weißäuglein“ nennt man sie in Russland, da sie in den Schwarzerden auffallend weiß durchblinken, wenn man im Boden gräbt. Wissenschaftlich werden diese Kalkkonkretionen mit Karbonatgehalten bis zu 70 % als Osteokollen bezeichnet.
Die 27 cm hohe Figur, die an die Filmfigur E.T. (der "Extra-Terrestrische"). erinnert, kommt aus dem Kaiserstuhlgebiet. Man könnte sie hier als "E-T" - der "Endo-Terrestrische" - bezeichnen. Die kleinen Gebilde stammen aus Unterfranken und Niedersachsen.
Die sprachliche Verbindung der Kalkkonkretionen mit dem Löss liegt darin begründet, dass sie sich häufig in diesen feinkörnigen Windablagerungen bilden. In Deutschland trifft man sie im Oberrheingraben und Kaiserstuhl genauso an wie in den Lössbörden von Köln bis Dresden oder im Alpenvorland. Schaut man genauer, findet man sie auch in Schmelzwassersanden der Mark Brandenburg und im Jungmoränengebiet Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns. Auch in den Marschböden der norddeutschen Küste werden Osteokollen gefunden. Voraussetzung für die Bildung ist ein kalkhaltiges Lockergestein. Die konkretionären Kalkanreicherungen entstehen im Boden, wenn die Bodenlösung mit Kalk übersättigt wird. Die Kalklösung und Ausfällung folgt im Grundsatz der folgenden chemischen Formel:
Kohlendioxid und Wasser verbinden sich zur Kohlensäure (H2CO3), die sich im Boden bei geringeren Temperaturen und höherem CO2-Partialdruck bildet und im Durchschnitt 0,2 mg/l Kalk auflösen kann. Mit dem Sickerwasser kann der gelöste Kalk (Calciumhydrogencarbonat) verlagert werden.
Die Abbildung zeigt die Varianten der Kalkverlagerung und -anreicherung im Boden. Bei Jahresniederschlägen von mehr als 650 mm wird der Kalk bei im Jahresverlauf überwiegend abwärts gerichteter Wasserbewegung aus dem Boden ausgewaschen (s. Abb. 1). Auch bei Jahresniederschlägen von circa 650 bis 550 mm kommt es im Winterhalbjahr zur Lösung und Verlagerung des Kalkes. Die daraus resultierenden circa 200 mm Sickerwasser pro Jahr werden überwiegend in den Bodenporen gespeichert. Im Sommerhalbjahr wird das gespeicherte Bodenwasser bis zu einer bestimmten Tiefe durch die Pflanzen aus dem Boden herausgesaugt (hydraulische Wasserscheide). Eine weitere Tiefenverlagerung des Kalkes kann nicht stattfinden. Es kommt zu einer Übersättigung der Bodenlösung und der Kalk fällt aus. Die Geburt der Lösskindel hat begonnen (s. Abb. 2). Dies gilt im Grundsatz auch bei Jahresniederschlägen von weniger als 550 mm. Im Sommerhalbjahr kommt es zusätzlich mit der Verdunstung zu einer aufsteigenden Wasserbewegung und Kalkverlagerung und einer Kalkausfällung in feinen Poren und Gefügeflächen. Die Kalkausfällung in den feinen Hohlräumen erinnert an Pilzfäden, die bodenkundlich Pseudomycelien genannt werden (s. Abb. 3). Bodenhorizonte mit primären Kalkgehalten werden mit „eC“ gekennzeichnet. Horizonte mit sekundärer Kalkanreicherung, wie bei den Lösskindeln oder den Pseudomycelien, bekommen die Kennzeichnung „Cc“.
Im Boden gebildete Kalkanreicherungen gibt es häufig auch in Schwarzerden mit Einfluss von Stau- oder Grundwasser. Wie oben beschrieben, findet auch hier eine allmähliche Entkalkung in den oberen Dezimetern des Bodens statt. Allerdings wird auch bei höheren Niederschlägen eine Tiefenverlagerung des Kalkes durch das Stau- oder Grundwasser verhindert. Bei den Pseudogley-Schwarzerden (s. Abb. 4), wie sie bei 750 mm Jahresniederschlag in der Hildesheimer Börde typisch sind, wird das Sickerwasser durch den wasserstauenden Bodenhorizont (Sd) gebremst und der Kalk reichert sich im wechselfeuchten Horizont (eCc-Sw) an. Bei den Gley-Schwarzerden (s. Abb. 5) kann das Sickerwasser durch den Grundwasserkörper nicht abfließen. Die Kalkanreicherung und Konkretionsbildung erfolgt im Bereich der Grundwasserschwankung (eCc-Go) oberhalb des Kapillarsaumes. Bei seitlichem kalkreichem Wasserzuzug bei Kalkgleyen (s. Abb. 6) wird der Kalk als Wiesenkalk oder an Quellen als Sinter (Travertin) ausgefällt. In diesen Fällen wird die Kalkausfällung durch den oberflächennahen Temperaturanstieg und den geringen CO2-Partialdruck beschleunigt.
Je nach dem Kalkgehalt des Bodens und der Dauer der Verlagerungsphase werden die Kalkkonkretionen unterschiedlich groß. In den jungen Lössböden unserer Warmzeit sind diese i. d. R. bis 2 cm in Ausnahmen bis 4 cm groß. In Böden aus vergangenen Warmzeiten (Paläoböden), z.B. aus dem Mitteldeutschen Trockengebiet, dem Würzburger Raum oder dem Oberrheingraben, sind Osteokollen mit über 30 cm Größe bekannt. Sie bildeten sich überwiegend in älteren Warmzeiten über Zeiträume von bis zu 2.500 Jahren.
Literatur
Ad-hoc-AG Boden (2005): Bodenkundliche Kartieranleitung - Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung; Hannover.
Giani, L., Bungenstock, F. & Strahl, E. (2008): Calciumcarbonat-Ausfällungen in einer Organomarsch. Tagung Kommission V: Böden der Küste 03.-05.09.2008 in Oldenburg. Berichte der DGB: http://eprints.dbges.de/65/1/Giani.pdf
Schäftlein, S. (1996): Genese und Struktur von Lößkindeln in Böden unterschiedlicher Hydromorphie. Diplomarbeit Univ. Hannover (unveröffentlicht).
Ziehen, W. (1969): Über Osteokollen. Natur und Museum. Bericht der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft, 99 (4), S. 145-154.
2015 war das Jahr des Bodens. Hier wurde die Bedeutung des Bodens für uns Menschen und seine Schutzwürdigkeit weltweit hervorgehoben. Begleitet wurde das Jahr im GEOZENTRUM HANNOVER mit Aktionen und Ausstellungen unter dem zentralen Motto „Boden mal anders“.
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