KI-gestützte Bewertung von Massenbewegungspotenzialen an Steilküsten Mecklenburg-Vorpommerns (als Pilotregion) (KIMV)
Projektanfang: 01.01.2022
Projektende: 31.12.2024
Projektstand: 01.10.2023
Entwicklung und Implementierung praktischer KI-basierter Ansätze in der Bewertung von Massenbewegungspotenzialen an einer sich dynamisch entwickelnden Ostseesteilküste
Problemstellung
Die Küstenbereiche stellen eine dynamische Wechselwirkungszone zwischen geologischen, marinen und atmosphärischen Prozessen dar und unterliegen einer kontinuierlichen Veränderung. Dabei spielt neben den natürlichen Faktoren auch die Aktivität des Menschen eine zunehmende Rolle.
Sichtbare Indizien für die Küstendynamik, speziell im Kliff-Bereich, sind gravitative Massenbewegungen (im deutschen Sprachgebrauch auch als Hangrutschungen bezeichnet).
Im Zuge des Klimawandels wird weltweit eine Erhöhung der Küstendynamik beobachtet. Die gegenwärtigen Klimaprojektionen für die Zukunft gehen von einer Häufigkeitszunahme von Sturmwetterlagen und Extremwasserständen aus und damit auch von einer potenziellen Zunahme von Hangrutschungen an Steilküsten.
Die BGR führt in diesem Zusammenhang mit dem Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG) und dem Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg (StALU MM) ein gemeinsammes Forschungs- und Entwicklungsprojekt durch, um die Methoden zu entwickeln, die eine quantitative Bewertung der Gefährdung durch Massenbewegungen in diesem dynamischen Umfeld besser und effizienter zu gestalten.
Arbeitsgebiete
Die Außensteilküste Mecklenburg-Vorpommerns erstreckt sich über ca. 140 km, wovon etwa 100 km als aktiv eingestuft werden. Wegen ihrer Vielgestaltigkeit, kontinuierlichen Erosions- und Abrasionsprozessen mit aktiven Abbruchkanten, und der umfangreich vorhandenen regionalgeologischen Expertise der Projektpartner, bietet diese ideale Pilotstandorte für die Datenakquise, Entwicklung und Evaluierung innovativer Bewertungsmethoden.
Im Projekt wurden vier folgende Pilotgebiete definiert, die lithologisch unterschiedliche Kliff-Typen berücksichtigen sollen (Abb. 1):
- Meschendorf: Geschiebemergel und eozäne Tonscholle.
- Hohes Ufer bei Wustrow: Mischkliff aus Geschiebemergel und Sand
- Sassnitz: Kreide und Geschiebemergel
- Sellin: Sand und Geschiebemergelrippen
Quelle: BGR
Projektziele und Aktivitäten
Das Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines KI-gestützten Workflows für die lokale Bewertung der dynamischen Gefahrenpotenziale gegenüber Massenbewegungen im Bereich von Steilküsten unter Nutzung von Daten aus Drohnenbefliegungen (Abb. 2a und 2b) und ingenieurgeologischen Untersuchungen. Dabei kommen neben der photogrammetrischen Auswertung vor allem Methoden aus dem Bereich der Computer Vision (Verarbeitung von Bildern) zum Einsatz. Diese beinhalten Deep-Learning-Algorithmen zur Bild- und Mustererkennung, die auf erhobenen Daten automatisiert Bildklassifikation und Segmentierung durchführen und damit die sonst sehr aufwändige Datenakquise unterstützen sollen. Die automatisch erhobenen Daten sollen weiter in einem Modell verarbeitet werden, welches die Bewertung der Gefährdungspotenziale durch Massenbewegungen übernimmt.
Quelle: BGR
Quelle: BGR
Im Detail wurden folgende Aufgaben definiert:
- Aufbau eines multitemporären Datensatzes: Ein mehrjähriger Datensatz aus Drohnenbefliegungen wird erstellt, um Veränderungen der Küste zu quantifizieren. Die Wiederholungsrate der Drohnenbefliegungen ist so gestaffelt, dass die Küste zu unterschiedlichen Vegetationsperioden und Wetterlagen aufgenommen werden kann, um die zeitliche Varianz der Oberflächeneigenschaften besser berücksichtigen zu können.
- Entwicklung eines automatisierten Workflows zur Kartierung der Küstenabschnitte aus Drohnenbefliegungen: Der modulare Workflow beinhaltet Module zur photogrammetrischen Auswertung der Drohnenbilder, KI-gestützten semantischen Bildsegmentierung und ggf. Punktwolkensegmentierung sowie eine Strukturanalyse der erzeugten Punktwolken. Diese Daten werden verwendet, um, zum Beispiel, ein datengetriebenes Modell zur Identifizierung potenzieller Schwachstellen im Kliff zu konfigurieren und zu trainieren (Abb. 3). Die aktuellen Module setzen sich bis auf wenige Ausnahmen aus Open Source-Anwendungen zusammen. Der modulare Aufbau soll es später ermöglichen, die einzelnen Module nach Bedarf durch andere Anwendungen zu ersetzen oder zu erweitern.
- Physikalische Modellierung einzelner Ereignisse (optional): Durch die Auswertung der erhobenen Daten werden Bedingungen, die zu Massenbewegungen führen könnten, in einer physikalischen Modellierung nachvollzogen. Dabei sollen die aus den Drohnendaten abgeleiteten Parameter und geomechanische Eigenschaften aus ingenieurgeologischen Untersuchungen berücksichtigt werden.
Quelle: BGR